Störungen in der motorischen Transportfunktion der Speiseröhre können durch Symptome wie Schluckstörungen, Oberbauchschmerzen, Sodbrennen aber auch durch unspezifische Beschwerden hinter dem Brustbein symptomatisch werden, die zunächst als "Herzbeschwerden" mißgedeutet werden. Nicht selten "landen" die Patienten zunächst beim einem Herzspezialisten, der durch eine mehr oder weniger umfangreiche Diagnostik trotz andauernder Beschwerden ein gesundes Herz attestieren kann. In dieser Situation kann eine wenig belastende Funktionsuntersuchung der Speiseröhre sinnvoll sein, um der Ursache der Beschwerden auf den Grund zu gehen und diese dann adäquat zu therapieren.
Die Achalasie ist eine seltene Nahrungspassagestörung der Speiseröhre, deren Symptome in der Regel mit dem Lauf der Erkrankung stetig zunehmen. Häufig sind Schluckstörungen das führende Symptom, es kann aber auch zusätzlich zu wiederkehrenden Krämpfen im Brustkorb kommen. Bei einigen Betroffenen treten zunächst ausschließlich Brustkrämpfe auf, so dass dieses Symptom als Beschwerden einer Herzerkrankung missgedeutet werden.
Die Erkrankten befinden sich nicht selten in einer ausgesprochen unglücklichen Situation: Die Achalasie ist eine sehr seltene Erkrankung, so dass die Symptome durch die behandelnden Mediziner häufig als psychosomatische bzw. psychische Störungen missgedeutet werden. Die Betroffenen werden zwar in vielen Fällen relativ rasch endoskopiert (Magenspiegelung), um der Ursache der Schluckstörungen auf den Grund zu gehen - aber, und das ist in diesem Fall besonders schlimm: Die Achalasie ist in den frühen Stadien nicht oder nur kaum zu sehen, so dass das Ergebnis der Magenspiegelung häufig lautet: Normalbefund, keine krankhaften Veränderungen ! Das führt dazu, das sich der Stempel der scheinbar psychischen Ursache immer weiter bei den Betroffenen einbrennt und sie beginnen, an sich selber zu zweifeln. Ich denke, für einen Erkrankten, der Einschränkungen eines Grundbedürfnisses erdulden muss, kann es kaum schlimmer kommen: Leiden unter den täglichen, teilweise massiven Symptomen und keiner glaubt einem! Isolation und Vereinsamung können die Folge sein.
Die Ursache der Beschwerden sind zum einen die fehlende Öffnung des oberen Magenpförtners am Ende der Speiseröhre im Bereich des Mageneinganges (Detail-Information). Zum anderen fehlt eine adäquate Transportfunktion, um den Speisebrei vom Mund in den Magen fortzubewegen. Die Muskulatur ist überwiegend schlaff und zieht sich bei jedem Schluck gleichzeitig mit erheblich zu niedrigen Muskeldrücken zusammen. Als Folge bleibt die Speise in der Speiseröhre stecken, sammelt sich an und führt zu Erbrechen, bzw. passivem Hochlaufen des Speisebrei in der Speiseröhre (sog. Regurgitation). Vorallem bei nächtlich auftretender Rückfluß kann es mit unter zu einem "einatmen" der Substanzen in die Luftröhre kommen, die eine gefährliche Lungenentzündung auslösen können (sog. Aspirationspneumonie).
Die teilweise erheblichen Schluckstörungen führen bei fast allen Betroffenen im Laufe der Erkrankung zu einem zunehmenden Gewichtsverlust.
Der Verlauf der Achalasie ist unterschiedlich: Bei einige Betroffenen nehmen die Symptome in ihrer Intensität sehr schnell zu, bei anderen geht die Zunahme schleichend vor sich. Eine Gemeinsamkeit haben jedoch alle: Ohne Behandlung verschlechtert sich die Situation bei allen Erkrankten.
VIDEOS
TV-Beitrag zur Achalasie - EVK Castrop-Rauxel ("Lokalzeit Dormund", WDR)
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TV-Beitrag zur Achalasie - EVK Castrop-Rauxel ("Punkt 12", RTL)
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Die Diagnose läßt sich gut durch eine Druckmessung (Manometrie) in der Speiseröhre nachweisen. Der Röntgen-Kontrasmittelschluck kann in fortgeschrittenen Phasen der Erkrankung das charakteristische Bild einer Sektglas-Speiseröhre zeigen. In Frühstadien ist diese Untersuchung aufgrund des uncharakteristischen Befundes häufig nicht richtungsweisend, eine Druckmessung zeigt dann aber bereits häufig schon das charakteristische Bild der Achalasie. Trotzdem kann man sich nicht auf die Druckmessung und den Kontrastmittelschluck alleine verlassen, eine Endoskopie (Magenspiegelung) des oberen Verdauungstraktes sollte in jedem Falle zur Routinediagnostik gehören, um andere Ursachen für Schluckstörungen nicht zu übersehen.
BILDER
Klassische Form (typische "Sektglasform") Megaösophagus Vigorous Achalasie
Therapeutisch stehen bei der Achalasie folgende Optionen zur Verfügung, die alle die Erweiterung des Mageneingangspförtners zum Ziel haben:
Die medikamentöse Therapie verwendet Präparate, die den Muskeltonus (Muskelspannung) der Ösophagusmuskulatur herabsetzen können. I.d.R. sind dies Präparate, deren routinemäßiger Einsatz bei völlig anderen Erkrankungsformen zum Einsatz kommt (Bluthochdruck, Herzkranzgefäßverengung, u.a.) und die aus diesem Grund auch nicht unbedingt frei von unangenehmen Nebenwirkungen sind. Insbesondere Calciumantagonisten (Nifedipin) und Nitrate gehören zu den Standardmedikamenten in der nichtinvasiven Therapie der Achalasie. Beide Präparate wirken blutdrucksenkend und dies kann bei Patienten mit sowieso niedrigen Blutdruck zu Schwindel u.a. Symptomen führen, die letztlich zum Therapieabruch führen.
Auch das Präparat Sildenafil (Viagra) wurde wegen seiner muskelentspannenden Wirkung an Achalasie-Betroffenen getestet. Die Wirkung war zwar besser (Verbesserung Schluckstörung in 36,4%), als bei den herkömmlichen Präparaten, die Nebenwirkungen allerdings dementsprechend intensiver (Schwindel/Blutdrucksenkung/Kopfschmerzen).
Insgesamt ist der Einfluß der Medikamente auf die Symptome jedoch gering und die Ergebnisse der medikamentösen Therapie eher bescheiden. Aus diesem Grund kommt sie i.d.R. nur in den Anfangsstadien der Achalasie und bei interventionell/operativ nicht therapierbaren Patienten zum Einsatz.
Die Ballondilatation ist ein anerkanntes Verfahren bei der der verengte Mageneingang durch eine über eine Magenspiegelung eingeführten Luftballon "gesprengt" wird. Der Vorteil der Methode liegt darin, daß keine Operation notwendig ist, da der Eingriff über eine Magenspiegelung durchgeführt wird. Der Nachteil liegt jedoch in einer mit rund 5% Wahrscheinlichkeit auftretenden Perforation (Einriß aller Schichten) der Speiseröhre mit der Gefahr einer sog. Mediastinitis (Lebensgefährliche Entzündung / Vereiterung des Mittelfelles, in dem u.a. das Herz liegt). Zudem sind nicht selten nach 1-5 Jahren erneute Dilatationen notwendig, wobei bei jeder erneuten Sprengung eine zunehmende Vernarbung des Mageneingangs entsteht (... eventuell nachteilig für eine spätere operative Versorgung ).
LINKS: Literatur: Veröffentlichte Ergebnisse in der Medizinliteratur - Die Technik der Ballondilatation ...